World Wide Office – wo arbeiten wir in Zukunft?

Was früher als Utopie galt, muss heute Realität sein.

Die Begriffe Home-Office, Remote Work und flexible Arbeitszeiten wurden vor fünf Jahren hauptsächlich mit Selbstständigen und vor allem mit Influencer*innen in Verbindung gebracht. Wer für ein Unternehmen als „klassische*r“ Angestellte*r arbeitete, konnte von dieser Autonomie nur träumen. In den meisten Unternehmen fehlten die Infrastruktur für ortsunabhängiges Arbeiten und der Wille, diese aufzubauen.

Von der Aussage „Home-Office ist bei uns nicht umsetzbar“ mussten sich Arbeitgeber*innen im März 2020 schnell verabschieden. Denn die Covid-19-Krise hat uns – und das von heute auf morgen – gezeigt, dass flexibles Arbeiten in Office-Jobs sehr wohl möglich ist.

Neue Normalität

Heute, drei Jahre später, ist Home-Office für viele Arbeitnehmer*innen zu einer Voraussetzung geworden. Zu diesem Schluss kam die Flexible-Working-Studie von Deloitte aus dem Jahr 2022, die in Kooperation mit der Universität Wien und der Universität Graz entstanden ist. Flexibles Arbeiten ist für Bewerber*innen und Arbeitnehmer*innen mittlerweile eine Bedingung und ein entscheidender Faktor für die Arbeitgeberattraktivität. Es wird zunehmend erwartet, dass Arbeitgeber*innen dahingehend entsprechende Arbeitsmodelle schaffen. 93 Prozent der Befragten gaben an, dass diese Erwartung an ortsunabhängiges Arbeiten gestiegen ist.

„Nach Abschluss meines Studiums möchte ich gerne Führungsaufgaben übernehmen. Dafür wünsche ich mir ein gutes begleitendes Onboarding und Austauschmöglichkeiten mit anderen jungen Führungskräften. Arbeiten in Teilzeit (Shared Leadership) und Home-Office sind dabei wichtige Rahmenbedingungen für mich.“ – Nicole, Master in Bildungswissenschaften

Dies bestätigt auch Martina Pitterle, HR-Lead bei Accenture Österreich: „Flexible Arbeitsmodelle werden immer wichtiger – egal ob für aktuelle Mitarbeiter*innen oder Kandidat*innen – und sind auch bereits im Vorstellungsgespräch Thema. Neben dem Remote Working – dem Arbeiten von zu Hause oder einem anderen Ort – gibt es Fragen zu flexiblen Arbeitsmodellen aufgrund von berufsbegleitenden Weiterbildungen, Elternteilzeit oder der Pflege von Angehörigen.“ Bei Accenture wird projektbasiert gearbeitet; flexible Arbeitsbedingungen seien seit Jahren Teil der Unternehmenskultur, erklärt Pitterle und ergänzt: „Seit einigen Jahren haben unsere Mitarbeiter*innen außerdem die Möglichkeit, mit dem Accenture-MyContract-Konfigurator ihre Arbeitszeiten – in Abstimmung mit ihrer Führungskraft – frei zu gestalten. Der Konfigurator zeigt ihnen transparent und unkompliziert, wie sie ihre Arbeitszeit anpassen können.“

Flexible Arbeitsmodelle sind in nahezu allen Branchen ein Thema. So auch bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB): „Wir merken, dass Bewerber*innen diese Angebote vermehrt nachfragen und auf einem umkämpften Arbeitsmarkt diese auch zunehmend wichtiger werden. Je nach konkretem Einsatzgebiet der Mitarbeiter*innen bieten wir flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, im Home-Office zu arbeiten. Ob MINT-Kindergarten, Ferienbetreuung oder Nannies, die schnell einspringen können: Für Eltern gibt es vielfältige Kinderbetreuungsangebote“, sagt Barbara Schalk-Steiner, Leiterin Konzern-Recruiting & -Sourcing bei den ÖBB.

Arbeiten, wie und wo man will

Arbeiten, wie und wo man will – das klingt nach völliger Selbstbestimmung. Für Arbeitgeber*innen bringen digitale Workspaces jedoch noch einige Hürden mit sich: Cybersecurity, digitale Kommunikationstools für hybrides Arbeiten und Datenschutz beschäftigen Unternehmen nach wie vor.

Aber auch das Thema Vertrauen spielt bei Remote Work eine große Rolle. „Egal ob Mitarbeiter*innen vor Ort im Office, bei Kund*innen oder remote arbeiten – gegenseitiges Vertrauen ist die Basis unserer Zusammenarbeit. Wir arbeiten Seite an Seite als Team und mit unseren Kund*innen, dabei steht das Ergebnis im Vordergrund und dass jeder das richtige Setting hat, um die besten Ideen und Lösungen einbringen zu können“, sagt Pitterle von Accenture Österreich.

Führungskräfte spielen bei der Flexibilisierung von Arbeit eine Schlüsselrolle: Gerade im virtuellen Setting braucht es vor allem eine gute Vertrauensbasis zwischen Führungskraft und Team sowie eine klare Ergebnisorientierung. Das ergab die „Flexible Working Studie 2022“ von Deloitte Österreich.

„Ich erwarte mir von meinen künftigen Arbeitgebern Flexibilität und die Möglichkeit, vermehrt remote zu arbeiten, da die Pandemie uns die positiven Seiten des Home-Office gezeigt hat. Mein Arbeitgeber soll mich an der Leistung und weniger an der minutengenauen Einhaltung der Arbeitszeiten bewerten.“ – Tobias, Master in Astronomie

„Die Mitarbeiter*innen stimmen Remote-Tage mit ihrer Führungskraft ab. So wird sichergestellt, dass die Home-Office-Tage zu den Bedürfnissen des jeweiligen Teams, des Aufgabengebietes und des Unternehmens passen und die hybride Zusammenarbeit gut funktioniert“, sagt Schalk-Steiner von den ÖBB.

Arbeitnehmer*innen allein zu Hause?

Arbeiten von zu Hause gehört bei Arbeitnehmer*innen inzwischen dazu. Die Vorteile sind zahlreich: Arbeitnehmer*innen sparen Zeit und Kosten für den Weg zum Büro, sie können ihre Arbeitsumgebung individueller gestalten, werden beim Arbeiten weniger oft gestört und steigern so ihre Produktivität. Die Medaille hat aber auch eine Kehrseite, wie die Studie von Deloitte zeigt. Denn das Teamgefühl und die Kommunikation leiden unter einem dauerhaft virtuellen Setting. In 72 Prozent der Unternehmen kommt der informelle Austausch durch die vermehrte Home-Office-Nutzung zu kurz.

Das Unternehmen Accenture schafft für seine Mitabeiter*innen Angebote, um – neben dem virtuellen Austausch – auch physisch zusammenzukommen. „Das beginnt bereits ab dem Start bei Accenture, wo wir zahlreiche Onboarding-Maßnahmen wie Trainings oder Events anbieten, um bestmöglich im Unternehmen anzukommen. Darüber hinaus haben Mitarbeiter*innen die Möglichkeit, an Sportgruppen teilzunehmen, sich mit Corporate-Citizenship-Aktivitäten zu engagieren oder Teil unserer Inclusion- und Diversity-Teams zu werden. Im Rahmen der Projekte finden regelmäßige Teambuildings statt und auch virtuell gibt es zahlreiche Angebote, um sich innerhalb des Teams auszutauschen und zu informieren“, sagt Pitterle von Accenture Österreich.

Das Arbeiten aus dem Ausland im Rahmen einer Workcation wird bei vielen Menschen immer beliebter. Das Kunstwort „Workcation“ setzt sich aus den englischen Wörtern „Work“ und „Vacation“ zusammen und beschreibt die Möglichkeit, dass Mitarbeiter*innen Arbeit und Urlaub miteinander kombinieren, indem sie remote an Orten arbeiten, die sie sonst für Urlaube auswählen würden. 73 Prozent der im Rahmen der Deloitte-Studie aus 2022 befragten Unternehmen berichten, dass die Erwartungen an Remote Work aus dem Ausland innerhalb der letzten zwei Jahre gestiegen sind. Viele Unternehmen sind durchaus gewillt, ihren Mitarbeiter*innen diese sogenannte Workcation zu ermöglichen. Komplexe steuer-, sozialversicherungs- und arbeitsrechtliche Regelungen stehen Workcations im Ausland aber noch oft im Weg.

Für die Zukunft ist jedoch klar: Der Wunsch nach flexiblen Arbeitsmodellen und Remote Work wird nach wie vor bestehen und Workcations werden für die jüngeren Generationen zu einer Bedingung werden. Die Rechtslage wird sich dahingehend anpassen müssen.

„Mein idealer Arbeitsplatz überlässt mir selbst Verantwortung darüber, wo und wann ich arbeite, sofern ich meine Aufgaben verlässlich erfülle. Er erlaubt mir eigenverantwortliches und kreatives Arbeiten, gleichzeitig gibt es Räume, in denen das Team zusammentreffen und ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln kann.“ – Jana, Doktorandin Soziologie


Dieser Artikel ist zuerst in unserem Karrieremagazin Rise erschienen.